
Steuerliche Nebenwirkung der Cannabis-Freigabe
Kiffen für den Fiskus
Eines vorweg: Das heutige Thema ist eines, welches mich ausschließlich aus beruflicher Sicht beschäftigt. Eine komplexe Steuerberatung im benebelten Zustand durchzuführen – kaum wünschenswert und wohl auch nicht mit unserem Berufsethos vereinbar. Aber wenn bei der amerikanischen Steuerbehörde IRS ganze Säcke voller Bargeld auflaufen und Amtsräume zum Zählen der Scheine frei geräumt werden müssen, weckt das natürlich mein professionelles Interesse!
Es ist ein echtes Dilemma:
Die Legalisierung von Cannabis in einigen US-Bundesstaaten sorgt für mächtigen Umsatz, der seinerseits natürlich für üppige Steuerabgaben sorgt – aber die Banken wollen nichts mit Geld zu tun haben, das durch den Verkauf einer Droge erwirtschaftet wurde. Es ist nämlich so: Auch wenn Cannabis inzwischen in vielen US-Bundesstaaten mehr oder weniger legal ist, gilt Marihuana auf nationaler Ebene eben noch immer als Droge.
Weil die meisten Banken nun nichts mit dem »Drogengeld« zu schaffen haben wollen, machen die Cannabis-Läden keine Überweisung, um ihre Steuern zu bezahlen – ihre Inhaber packen das ganze Geld in Taschen und Säcke und fahren damit zu einem geheimen Treffpunkt mit Beamten der Steuerbehörde. Klingt wie im Mafia-Film mit Marlon Brando als Vito Corleone? Ist aber tatsächlich so! Die wenigen Institute, bei denen Cannabis-Farmer oder Ladenbesitzer dennoch ihr Geld einzahlen dürfen, lassen sich diesen Service teuer bezahlen. Das führt dazu, dass fast zwei Drittel der Firmen kein Konto haben, sie bezahlen ihre Ware »cash«, genauso wie ihre Angestellten. Und auch die Steuerschuld wird dementsprechend bar beglichen.

More Money more Problems

Die Bundessteuerbehörde IRS stellt das vor gewaltige Probleme. Allein 2017 bezahlten legale Cannabisfirmen in den USA 4,7 Milliarden Dollar an Steuern. In den kommenden Jahren dürfte dieser Betrag kräftig steigen, vor allem auch durch die Legalisierung von Marihuana in Kalifornien. Weil Unternehmen in den USA heutzutage ihre Steuern längst per elektronischer Überweisung oder Scheck bezahlen, ist man bei der IRS nicht mehr darauf eingestellt, dass Steuerpflichtige mit Säcken voller Scheine in lokale Büros marschieren, um dort ihren Obolus bar zu begleichen. Um das viele Geld zu zählen, braucht es immer einen extra gesicherten Raum. Und damit dabei auch wirklich alles mit rechten Dingen zugeht, dürfen die IRS-Mitarbeiter beim Zählen nie alleine sein.
Gemeinnützige Organisation
Der Geldsegen ist dementsprechend zeit- als auch personalintensiv. Vor einiger Zeit nun hat die Steuerbehörde eine gemeinnützige Organisation eingeschaltet, die dabei helfen soll, mit der Flut an Dollarscheinen fertig zu werden. Wie genau die Zusammenarbeit letztlich aussieht, ist Geheimsache. Das Stillschweigen macht das Ganze umso mysteriöser. Sicher ist aber, dass die IRS etwa 1,7 Millionen Dollar für den Service bezahlt hat. In der Cannabis-Industrie fragen sich nun viele, ob man das Geld nicht besser dazu hätte verwenden können, den Firmen endlich ordentlichen Zugang zu Banken zu verschaffen.
Wie gesagt: Das Problem wird in den nächsten Jahren nicht kleiner werden. Bei den jüngsten Midterm-Elections wurde in mehreren US-Bundesstaaten auch über Cannabis-Vorlagen abgestimmt. Michigan legalisierte dabei als zehnter Staat den Konsum. In Missouri und Utah befürworteten die Abstimmungsteilnehmer die Verwendung von Cannabis für medizinische Zwecke. Bereits seit Anfang 2018 ist der Cannabis-Konsum in Kalifornien, Nevada, Maine und Massachusetts legal. Über 50 Millionen Bürger erhielten damit straffreien Zugang zu Cannabis für den Freizeitgebrauch.
Medizinisches Cannabis

Ein föderalistischer Flickenteppich von Regulierungen, der in Folge entstanden ist. So haben in Texas nur Epilepsie-Patienten Zugang zu Cannabis, und auch dies nur in Form schwach psychoaktiver Cannabidiole (CBD). In Florida wurde vor zwei Jahren das ursprünglich sehr restriktive Gesetz so erweitert, dass nun eine größere Zahl von Symptomen mit medizinischem Cannabis behandelt werden kann. Zu den Krankheiten, bei denen Ärzte im Sunshine State Cannabis empfehlen können gehören unter anderem HIV/AIDS, Krebs und Epilepsie. In anderen Staaten wie Kansas oder Wisconsin können dagegen ohne Rücksicht auf die eigentlich mitgeführte Menge mehrmonatige Haftstrafen verhängt werden.
In Colorado seit 2012

Vorreiter bei der Freigabe war Colorado, wo die Bürger seit 2012 »pot« legal in allen Variationen konsumieren können. Staaten wie Washington nehmen mittlerweile durch die Besteuerung von Cannabis-Produkten mehr ein als mit der von Alkohol. Und dürften bei den dortigen Steuerbeamten auch ohne Inhalieren für ein natürliches »High« sorgen.Was würde eine Freigabe für die deutsche Staatskasse bedeuten? Eine Studie des Deutschen Hanfverband (DHV) verspricht ein Plus von 2,39 Milliarden Euro jährlich.
Dass diese Summe irgendwann in der Zukunft von heimischen Cannabis-Bauern und Händlern – dem Beispiel ihrer amerikanischen Kollegen folgend – im Jutesack zum Finanzamt Oldenburg-Süd oder Villingen-Schwenningen getragen werden könnte, ist für mich freilich auch beim heißesten Bemühen meiner Fantasie nicht vorstellbar.