
Billionaire Boys Club
Forderungen nach der »Reichensteuer«
Ich habe ja eher selten mit Milliardären zu tun. Vor allen nicht mit solchen, die politische Ambitionen hegen. Das wird Ihnen vermutlich ähnlich gehen. Ist vielleicht aber auch gut so, denn diese Herrschaften genießen in Amerika derzeit nicht den allerbesten Ruf. Es stimmt zwar schon: Wir sind immer noch das Land, in dem Erfolg bewundert und persönlicher Reichtum nicht automatisch mit schrägem Blick betrachtet wird. Eine Neidgesellschaft sind die USA sicher nicht. Aber der Wind scheint sich in der letzten Zeit doch irgendwie zu drehen. So schrieb die Los Angeles Times vor einiger Zeit, »Amerika liebt seine Milliardäre nicht mehr«.
Zahlt endlich Eure Steuern!
Lange galten sie als Verkörperung des »American Dream«, doch spätestens seit der Finanzkrise ist der Ruf der Superreichen mächtig ramponiert. Der Historiker Rutger Bregman blaffte die Großverdiener zuletzt auf dem World Economic Forum in Davos sogar recht rüde an: Zahlt endlich Eure Steuern! Das ganze Gerede über Philanthropie und Weltrettung sei – und das ist seine Wortwahl, nicht meine – nur »Bullshit«, wer wirklich helfen wolle, müsse anfangen, angemessene Steuern zu zahlen statt dem Fiskus zu entfliehen.

Dem Land geht es gut, die Wirtschaft brummt
Dennoch ist auch in Amerika eine Debatte um Gerechtigkeit und Verantwortung entbrannt. Nicht zuletzt im Nachgang an die Steuerreform fragen sich viele: Geht es wirklich noch gerecht zu? Die Experten des Tax Policy Center in Washington haben berechnet, dass US-Bürger mit hohen und sehr hohen Einkommen am meisten von der Reform profitieren – und zwar nicht nur in absoluten Dollar-Beträgen sondern auch, was den prozentualen Anstieg ihres Netto-Einkommens betrifft. Bürger mit niedrigen Einkommen hingegen haben den geringsten Anstieg ihres Netto-Einkommens zu erwarten – und das auch nur in den ersten Jahren nach der Reform. Ab dem Jahr 2027 müssen die unteren 40 Prozent sogar mehr Steuern zahlen als nach dem bislang gültigen Recht. Wie ausgeprägt die Umverteilung von unten nach oben im Jahr 2027 ausfällt, wird an einer anderen TPC-Berechnung noch deutlicher: Nimmt man die Gesamtsumme, um die alle Bürger entlastet werden, entfallen 62 Prozent davon auf das einkommensreichste ein Prozent der US-Bürger.

Mir liegt es fern, ein moralisches Urteil zu fällen. Und für eine »Reichensteuer« plädiere ich schon mal gar nicht. Aber im Gespräch mit Kollegen und Mandanten merke ich doch, wie die Stimmung langsam kippt.
Auch, weil der längst begonnene Wahlkampf ums Präsidentenamt zur Schlacht der Finanzgiganten gerät: Im Weißen Haus sitzt der selbsterklärte Selfmade-Milliardär Donald Trump. Der Fondsmanager Tom Steyer will über 40 Millionen Dollar investieren, um den Präsidenten seines Amtes zu entheben, Medientycoon Michael Bloomberg liebäugelt mit einer Kandidatur für die Demokraten und der ehemalige Starbucks-Chef Howard Schultz will als unabhängiger Kandidat gegen die politische Elite in den Wahlkampf ziehen. Es scheint fast, als hätte der »Billionaire Boys Club« die amerikanische Politik fest im Griff. Das ist vielen eher unheimlich.

Spitzensteuersatz für Milliardäre auf 70%
So sehr sich Trump, Bloomberg und Schultz politisch unterscheiden: was sie eint, ist ihre Ablehnung höherer Steuersätze für Milliardäre. Gerade damit wollen aber namhafte Demokraten punkten. Alexandria Ocasio-Cortez etwa fordert, den Spitzensteuersatz für Milliardäre auf 70 Prozent zu heben, Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren will eine zweiprozentige Reichensteuer auf Vermögen über 50 Millionen Dollar einführen, und Linken-Ikone Bernie Sanders hat einen Gesetzesentwurf für eine höhere Erbschaftssteuer auf Großvermögen vorgelegt.
Strengere Besteuerung der Superreichen
Bei der Wählerschaft kommen solch progressive Steuerpläne gut an. Umfragen zufolge unterstützt über die Hälfte der Bevölkerung eine strengere Besteuerung der Superreichen, und selbst eine wachsende Anzahl republikanischer Wähler freundet sich mit der Idee an. »Es gibt nichts Hässlicheres als Reichtum ohne Tugend«, wusste schließlich schon der französische Schriftsteller Antoine de Rivarol vor zweihundert Jahren. Heute beobachtet Michael Cembalest von JPMorgan Asset Management, dass inzwischen eine »Wahrnehmung von Unfairness in der Wirtschaft« vorherrsche, die es so vor fünf Jahren noch nicht gab. »Es ist ein Augenblick in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte, in dem das ganz plötzlich explodiert ist.«
Ob eine aggressivere Besteuerung der Top-Vermögenden letztlich dabei helfen kann, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, ist rein wirtschaftlich gesehen sicher zweifelhaft. Selbst Michael Bloomberg warnt vor »venezolanischen Verhältnissen«. Tatsächlich gibt es zig Untersuchungen, die besagen, dass eine Reichensteuer allenfalls Symbolcharakter habe: Gut für die Schadenfreude vieler, aber letztlich ohne echten Effekt. Als Wahlkampfparole ist sie aber sicher umso wirkungsvoller.