
Schlechter Witz?
Über die Bilanzierung aktiver latenter Steuern
Ich will mich in meinem heutigen Blog einmal nicht mit volkswirtschaftlichen und politischen Aspekten rund um die jüngste US-Steuerreform herumschlagen. Sondern auf eine konkrete Frage der Rechnungslegung eingehen, die seit der Verabschiedung des Gesetzes vor zwei Jahren heftig diskutiert wird. In Folge der Herabsetzung der Steuersätze meldeten nämlich zahlreiche US-Unternehmen, aber auch solche außerhalb der USA, Belastungen des Gewinns oder gar Verluste.
Ein schlechter Witz?
Wie kann es sein, dass Unternehmen durch eine Herabsetzung von Steuersätzen Belastungen des Erfolgs hinnehmen müssen?
Erscheint kontraintuitiv
Zunächst erscheint das Ganze natürlich kontraintuitiv. Um den Zusammenhang zu verstehen muss ich – auch wenn es hier leider etwas technisch wird – einmal die Grundzüge der Bilanzierung latenter Steuern skizzieren. Und das am Beispiel der steuerlichen Verlustvorträge, die für das oben geschilderte Phänomen eine entscheidende Bedeutung haben.
Handfester ökonomischer Vorteil
Den regelmäßigen Lesern meines Blogs erzähle ich natürlich kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, dass steuerliche Verlustvorträge einen handfesten ökonomischen Vorteil darstellen. Durch deren Verrechnung mit künftigen steuerlichen Gewinnen gelingt es, aktuelle Gewinne ohne Steuerbelastung zu vereinnahmen. Man kann sich den Vorteil auch dadurch klarer vor Augen führen, wenn man zwei Unternehmen mit identischen Gewinnerwartungen vor Steuern von jährlich 100.000 Dollar vergleicht. Ein Unternehmen verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag, ein anderes nicht. Für welches Unternehmen würde ein Käufer mehr bezahlen, vorausgesetzt die steuerlichen Verlustvorträge gehen durch den Erwerb nicht verloren? Natürlich für das Unternehmen mit einem steuerlichen Verlustvortrag, weil nach Steuern mehr vom Gewinn übrig bleibt.

Jahresabschlüssen von Kapitalgesellschaften
In den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften sowie atypischen Personenhandelsgesellschaften ist im Rahmen der Rechnungslegung nach IFRS (»International Financial Reporting Standards«) für den Steuerentlastungseffekt durch steuerliche Verlustvorträge ein Aktivposten als »aktive latente Steuer« zu bilden. Diese bemisst sich nach den insbesondere durch steuerliche Gewinnerwartungen nutzbaren Verlustvorträgen multipliziert mit dem Steuersatz, der in den Nutzungszeitpunkten des Verlustvortrags gelten wird. Dieser Steuersatz bestimmt den Entlastungseffekt. Solange keine geänderten Steuersätze bekannt sind, gilt der aktuelle Steuersatz als der künftig geltende. Die Einbuchung der aktiven latenten Steuer in der Handelsbilanz erfolgt gegen den Steueraufwand. Da es sich wegen der Entlastungswirkung um einen negativen Steueraufwand handelt, kann man auch von einem Steuerertrag sprechen. In den Jahren der Nutzung der Verlustvorträge wird der Vorteil »verbraucht« und die aktive latente Steuer gegen den Steueraufwand ergebnismindernd aufgelöst.
Herabsetzung der Steuersätze
Führt man sich diesen Mechanismus vor Augen, ist die Folge einer Herabsetzung der Steuersätze leicht nachzuvollziehen. Da die aktive latente Steuer sich aus dem Produkt von steuerlichem Verlustvortrag und Steuersatz errechnet, führt eine Herabsetzung des Steuersatzes zu einer Verminderung der in Vorjahren handelsbilanziell eingebuchten aktiven latenten Steuer. Die aktive latente Steuer muss in der Handelsbilanz entsprechend ergebnismindernd aufgelöst werden. Das ist folgerichtig, weil der Entlastungseffekt durch die steuerlichen Verlustvorträge aufgrund der wegen gesunkener Steuersätze verringerten Steuerbelastung vermindert wird. Unternehmen mit Sitz außerhalb der USA sind davon betroffen, sofern die Sachverhalte, für die aktive latente Steuer gebildet wurden, dem US-Steuerrecht unterliegen oder es sich um den Konzernabschluss handelt, in den US-amerikanische Tochterunternehmen einbezogen wurden.

Haben die betroffenen Unternehmen hierdurch insgesamt weniger handelsbilanzielle Gewinne?
Natürlich nicht. Es handelt sich nur um eine andere Verteilung des Erfolgs über die Zeit – das, was wir Profis im Steuerrecht gerne »Periodisierung« nennen. Wurde die aktive latente Steuer wegen der Herabsetzung des Steuersatzes teilweise ergebnismindernd aufgelöst, ist in der späteren Periode der tatsächlichen Nutzung der steuerlichen Verlustvorträge nur der geringere Restbetrag aktiver latenter Steuern ergebnismindernd aufzulösen. Die Ergebnisminderung durch die steuersenkungsinduzierte Teilauflösung aktiver latenter Steuern führt also in späteren Jahren zu höheren handelsbilanziellen Erfolgen.
Bei Unternehmen, die für potenzielle Steuerbelastungen passive latente Steuern bilden mussten, ergibt sich aus der Herabsetzung der Steuersätze natürlich ein umgekehrter Effekt.