
Wer und wo bin ich?
Die Misere der »Accidental Americans«
Ich betreue seit einiger Zeit einen Mandanten, der zwar in den USA geboren wurde, aber sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat. Irgendwann stellte sich heraus, dass der 40 Jahre alte Unternehmer den Vereinigten Staaten Zehntausende von Dollar an Steuern schuldet. Zwar sind beide Eltern Deutsche, doch er erblickte während einer beruflichen Zwischenstation seines Vaters in Kalifornien das Licht der Welt. Er ist kein Übersee-Amerikaner wie Millionen anderer, die zeitweilig oder auf Dauer außerhalb der USA leben. Nie hatte er irgendeine Verbindung zu US-Behörden. Er besitzt keine US-Dokumente, abgesehen von seiner Geburtsurkunde. Sogar sein Englisch ist – galant formuliert – etwas holprig. Vor drei Jahren nun fand er heraus, dass er dem US-Steuerrecht unterliegt.
Nicht Allein
Damit ist er nicht allein, sondern einer von potenziell Tausenden »Accidental Americans« auf der ganzen Welt – US-Bürger, die weder im Land leben, noch wirkliche Verbindungen zu den Vereinigten Staaten haben. Im Rahmen des amerikanischen Steuersystems unterliegt das weltweite Einkommen von zufälligen Amerikanern aber der US-Steuer – unabhängig davon wo sie leben oder arbeiten.
Ich verstehe gut, wenn man das für ungerecht hält.

Mein Mandant sagt, dass er das Geld natürlich viel lieber in Deutschland investieren würde, wo er mit seiner Familie lebt und seine Firma aufgebaut hat. Er habe in Deutschland auch noch nie Ärger mit dem Finanzamt gehabt und seinen Obolus immer treu und brav bezahlt. Die Forderung der USA gleiche daher einer Räuberei.
Steuersystem auf der Staatsbürgerschaft
Wieso Fälle wie die meines Mandanten sich in den letzten Jahren häufen, habe ich an dieser Stelle schon mehrfach erläutert: Im Gegensatz zu anderen Ländern beruht das amerikanische Steuersystem auf der Staatsbürgerschaft und nicht auf dem Wohnsitz. Im Jahr 2010 verabschiedete der Kongress den »Foreign Account Tax Compliance Act«, auch bekannt als FATCA, um gegen Steuerhinterziehung durch Amerikaner mit finanziellen Vermögenswerten im Ausland vorzugehen. Das Gesetz schreibt vor, dass ausländische Banken über Finanzkonten von US-Bürgern dem Internal Revenue Service (IRS) Bericht erstatten müssen.
viele »zufällige Amerikaner«
Infolgedessen haben viele »zufällige Amerikaner« erfahren, dass sie den USA Steuern schulden – oft, nachdem sie von den Banken in ihren Heimatländern kontaktiert wurden. So auch eine andere Mandantin von mir: Sie wurde in Belgien als Tochter eines deutschen Vaters und einer amerikanischen Mutter geboren. Sie war zwei Jahre alt, als ihre Eltern sich scheiden ließen und sie und ihr Vater nach Deutschland zogen. Dort ist sie aufgewachsen, hat studiert und arbeitet jetzt in Frankfurt. Vor einigen Jahren kontaktierte ihre deutsche Bank sie mit der Frage nach Ihrer »US Tax Identification Number«. Da sie es für einen Fehler hielt, ignorierte sie die Bitte trotz wiederholter Warnungen. Die Anfragen hörten nicht auf. Sie recherchierte und stellte fest, dass auch sie ein »Accidental American« ist, der eine US-Steuerrechnung drohen könnte.
Gezwungenes Verwaltungssystem?

Meine Mandantin denkt, sie werde in ein Verwaltungssystem gezwungen, das sie dazu verpflichtet, Formulare auszufüllen, einen Anwalt zu bezahlen und ihre Bankkonten prüfen zu lassen. Die Rücknahme ihrer US-Staatsbürgerschaft würde sie mehr als 5000 Dollar kosten, zusätzlich zu den gesetzlichen und buchhalterischen Gebühren, um das Verfahren einzuleiten. Entsprechend sauer ist sie auf das amerikanische Steuersystem. »Was ich entdeckt habe, ist die ärgerliche Wirklichkeit, wie die USA ihre Bürger in Übersee behandeln: Doppelsteuern, Datensammlung und eine Vorannahme von Schuld. Eine Bank ist keine Bank mehr und ein Land ist auch kein Land mehr. Beide sind zu Berichterstattern an die US-Steuerbehörden geworden.«
Ich verstehe den Unmut, muss als Steuerberaterin aber mit den Realitäten umgehen. Und meine Mandanten, so sie denn »zufällige Amerikaner« sind, zur Einreichung einer US-Steuererklärung auffordern und ermuntern. Und zwar immer dann, wenn das weltweite Jahreseinkommen einen bestimmten Freibetrag übersteigt. Im Steuerjahr 2019 liegt dieser für ledige Personen bei 12.400 Dollar und bei verheirateten gemeinsam veranlagten Ehepaaren bei 24.400 Dollar.
Doppelbesteuerungsabkommen
Das Doppelbesteuerungsabkommen legt fest, welches Land das Recht hat, die in einem der beiden Länder erzielten Einkünfte zu besteuern und in welcher Höhe die Besteuerung erfolgen kann. In Fällen, in denen beide Länder die Einkünfte besteuern (z.B. bei Erwerbseinkünften in Deutschland lebender US-Staatsbürger), können die im Wohnsitzland gezahlten Steuern gegen die US-Steuer angerechnet werden. Darüber hinaus gibt es auf der US-Steuererklärung weitere Möglichkeiten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Im Ausland lebende US-Personen können zum Beispiel jährlich circa 100.000 Dollar an Erwerbseinkünften von der Besteuerung in den USA freistellen.
Wenn Sie die US-Staatsbürgerschaft besitzen und Ihren Wohnsitz in Deutschland haben, können Sie mit der richtigen Beratung und Planung die Zahlung von US-Steuern vermeiden oder zumindest Ihre US-Steuerlast reduzieren. Eine US-Steuerklärung ist immer dann einzureichen, wenn die Einkünfte einen geringen Freibetrag übersteigen. Die Nichteinhaltung der US-Steuerpflicht kann zu hohen Strafzahlungen führen.