
Steuerpolitik nach der Wahl
Was von Präsident Biden oder Präsident Trump zu erwarten wäre
Als Steuerberaterin halte ich mich mit politischen Prognosen naturgemäß zurück. Aber was unter einem möglichen Präsidenten Joe Biden oder im Rahmen einer zweiten Amtszeit Donald Trumps aus steuerpolitischer Sicht zu erwarten wäre – darüber mache ich mir natürlich schon so meine Gedanken.

Joe Biden
Würde Biden die Wahlen im November 2020 für sich entscheiden, übernähme er ein Land, dessen Wirtschaft durch den Kampf gegen das Coronavirus enorm unter Druck steht. Biden hat bereits erklärt, dass er eine ganze Reihe von körperschafts- und personenbezogenen Steuern anheben möchte, um mit den Einnahmen nationale Ausgaben-Programme zu finanzieren – etwa im Bereich der Sozialversicherung, des Gesundheitswesens, der »grünen Energie« und der Infrastruktur.
Sein Steuerkonzept sieht die Wiederherstellung vieler Regelungen vor, die durch den 2017 von Trump verabschiedeten »Tax Cuts and Jobs Act« abgeschafft wurden. In den kommenden zehn Jahren sollen dadurch rund 3,8 Billionen Dollar an zusätzlichen Mitteln in den Bundeshaushalt der USA fließen. Gleichzeitig soll der Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent steigen. Durch die Verdoppelung des Steuersatzes auf in Niedrigst-Steuerländer verlagerte immaterielle Wirtschaftsgüter sollen zudem Schlupflöcher von Unternehmen geschlossen werden.
Mit Blick auf die Einkommensteuer würden Bidens Pläne diejenigen Spitzenverdiener stärker belasten, die Einkünfte aus Kapitalanlagen beziehen. Auf dem Wunschzettel seines Wahlkampfteams stehen darüber hinaus Pläne für eine stärkere Besteuerung langfristiger Veräusserungsgewinne und bestimmter Dividenden.
Natürlich ist unklar, wie viele der geplanten Steueränderungen tatsächlich verwirklicht werden oder ob Biden seine Pläne angesichts einer weltweiten Rezession ändern wird. Möglicherweise müsste er auch im Kongress Kompromisse eingehen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Steuererhöhungen die Gewinne der im S&P 500-Index enthaltenen Unternehmen um durchschnittlich 9 bis 11 Prozent belasten würden.
Finanzierung der Regierungen
Was ist im Gegensatz dazu in punkto Steuerpolitik zu erwarten, sollten die Wähler Donald Trump für eine zweite Amtszeit ins Weisse Haus schicken? Was die Fiskalpolitik anbelangt, hat sich der amtierende Präsident stark an der traditionellen Vorstellung der Republikaner von Steuersenkungen bei gleichzeitigem Verzicht auf eine deutliche Ausweitung der öffentlichen Dienstleistungen orientiert. Infolge der Coronavirus-Krise kam es jedoch zu einem enormen vorübergehenden Anstieg der von einem gespaltenen Kongress bewilligten Ausgaben für Unterstützungszahlungen, Steuererleichterungen, die
Finanzierung der Regierungen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene sowie für Unternehmenshilfen. Die Auswirkungen dieses Schocks und die schweren Folgen für den Staatshaushalt dürften sich noch auf Jahre bemerkbar machen. Trump hat gezeigt, dass er Maßnahmen im Stile von Steuererleichterungen wie Lohnsteuersenkungen oder Stimulus-Schecks bevorzugt, gleichzeitig aber auch offen ist für eine breitere Palette an politischen Maßnahmen mit dem Ziel, die Wirtschaftsaktivität anzukurbeln. Allgemeiner betrachtet scheint der Präsident die Sorgen einiger seiner republikanischen Kollegen im Hinblick auf die Verschuldung nicht zu teilen.

Republikaner im Repräsentantenhaus und Senat
Ob der Präsident seine Fiskalpolitik in einer zweiten Amtszeit weiterverfolgen kann, wird maßgeblich von der Zusammensetzung des Kongresses abhängen. Sollten die Republikaner sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat kontrollieren, so rechne ich in Bezug auf die Fiskalpolitik mit einem etwas großzügigeren, aber dennoch traditionell republikanischen Ansatz. In diesem Fall wäre nach dem enormen Defizit in diesem Jahr meines Erachtens eine schrittweise Straffung der Fiskalpolitik vor allem im Hinblick auf die Staatsausgaben zu erwarten, während die Steuern niedrig bleiben würden. Eine Tatsache, die die Unternehmensgewinne weiter stützen und naturgemäß von den Märkten begrüßt werden dürfte. Ziemlich sicher dürfte Trump auf eine Verlängerung der auslaufenden Einkommensteuersenkungen für Privatpersonen sowie der Bestimmungen der Unternehmenssteuerreform wie beispielsweise Bonusabschreibungen und möglicherweise auf noch stärkere Steuererleichterungen pochen.
Sollten die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus erlangen, so dürften sich die haushaltspolitischen Debatten meiner Ansicht nach schwieriger gestalten und könnten – je nachdem, wie sich die Budgetverhandlungen entwickeln – tatsächlich höhere Staatsausgaben nach sich ziehen. Im aktuellen Umfeld schienen mir weitere Steuersenkungen angesichts des zu erwartenden demokratischen Widerstands im Repräsentantenhaus dann höchst unwahrscheinlich.